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Obstgehölze selbst vermehren – Neue weiße Johannisbeeren durch Stecklinge
Seit 2015 verschenken wir Obststräucher unter der Maßgabe, sie so zu pflanzen, dass auch andere Menschen daran ernten können und sie auf unserer Karte eingetragen werden. Die betreffenden Pflanzen fallen nicht vom Himmel und geschenkt hat uns die auch niemand. Die Wahrheit ist: Wir haben sie selbst vermehrt.
Wie, das verraten wir gern weiter. Vermehrung ist nämlich etwas Tolles.
Unter anderem sind auf diesem Wege im Herbst 2016 weiße Johannisbeeren im Grünauer Familienzentrum der Caritas gelandet. Also eigentlich hat Inka nur kurz angerufen: „Wir wollen eine essbare Hecke am Familienzentrum pflanzen“, wir haben festgestellt: Bedingungen problemlos erfüllt, zwei Tage später kam Sabine zum Abholen der Pflanzen. Und so entstehen solche weißen Johannisbeeren unter unserem Zutun.
Zum Vermehren von weißen Johannisbeeren benutzen wir
Perlite als Substrat (Auf deutsch: Zum Reinstecken),
frische Zweige und Ästchen sowie
durchsichtige Kiste mit Deckel, Gartenschere, Schere, Plastikschildchen, Bleistift und Geduld.
Du brauchst eine Mutter. Also eine Mutterpflanze. Vermehrung durch Stecklinge ist Klonen. Anders als bei der Vermehrung durch Samen wird der Genpool exakt kopiert. Deshalb machen das Baumschulen ja. Und wir auch. Es geht darum, eine bestimmte Pflanze, Art oder Sorte zu vervielfachen. Deshalb brauchen wir eine Mutterpflanze.
In diesem Fall trägt sie den charmanten Namen Blanchette und es ist genau die weiße Johannisbeere, die wir mit Absicht ausgewählt, gekauft und bei uns gepflanzt haben: Robust, wuchsfreudig, pflegeleicht. Das sind unsere wichtigsten Auswahlkriterien für die Obstgehölze in unserem Garten.
Schließlich sind sie zum Verschenken und Überleben im mehr oder weniger öffentlichen Raum gedacht – wie zum Beispiel in der Obsthecke am Caritas-Familienzentrum.
ACHTUNG! THEORIEWARNSTUFE GELB!
Ein ganz kurzer Ausflug in die Genetik, zumindest in die Begrifflik. Vegetativ nennen wir Vermehrung dann, wenn sie mit lebenden Pflanzenteile geschieht: mit Wurzeln oder deren Ausläufern, mit Edelreißern, also Ästen oder Zweigen, die auf Äste oder Zweige gepfropft werden, mit Triebansätzen, die unter die Rinde okuliert werden oder eben mit unseren Stecklingen.
Auch so ein bewurzeltes Triebende einer Brombeere ist eine vegetative Vermehrung. Und sie ist Teil einer erfolgreichen Überlebensstrategie. Durch die Fähigkeit, sich irgendwo neue Wurzeln wachsen zu lassen, können sogar schwer verletzte oder umgeknickte Bäume überleben.
Und so entstehen auch große Brombeergestrüppe: Übrigens meistens durch überirdische Absenker, nicht durch unterirdische Ausläufer.
Generativ ist die Vermehrung durch Samen. Dafür hatten sich der liebe Gott und Charles Darwin zusammengesetzt und auf einen Modus der Genvermischung geeinigt, damit Lebewesen nicht nur in der eigenen DNA-Suppe verkümmern. Das ist der Teil, den europäische AbendlandbeschützerInnen nicht so ganz verstehen.
Beide Verfahren sind wichtig für die biologische Vielfalt. Die generative sorgt für Veränderung und ermöglicht Anpassung, die vegetative für Erhalt und Konstanz. Durch generative Vermehrung ist irgendwann aus ursprünglichen roten Johannisbeeren mal eine schwachpigmentierte mit weißen Früchten hervorgegangen, die durch vegetative Vermehrung erhalten wurde. Genetisch sind rote und weiße Johannisbeeren engste Geschwister.
Zurück zu Mutter Blanchette: Es macht Sinn, mit der Stecklingsvermehrung zu beginnen, wenn sowieso Äste und Zweige anfallen, also clevererweise zusammen oder nach dem Schneiden von Obstgehölzen. Unsere Blanchette haben wir im Sommer nach der Ernte geschnitten. Sie soll auf Dauer als eintriebige Spindel wachsen, deshalb haben wir alles Grünzeug, das direkt aus dem Boden kam, abgeschnitten.
Das war reichlich und entsprechend viel Ausgangsmaterial hatten wir. Das schadet nicht. So können wir jüngere und ältere und dickere und dünnere Stecklinge auswählen. So eine Mischung verteilt die Bewurzelungschancen. Unserer Erfahrung nach klappt die Vermehrung mal mit diesen Stecklingen, mal mit jenen besser. Dann macht Mischen Sinn.
Wenn du hier Chancen zur Optimierung erkennen kannst, schreite zur Tat: Obst ist ein Hobby mit leichten Einstieg und unendlichem Tiefgang. Mehr Wissen und besser Machen geht eigentlich immer.
Du kannst dich also gern auf die Suche nach den besten Stecklingen für weiße Johannisbeeren machen und uns an deinen Erfahrungen teilhaben lassen.
Bedenke dabei bitte die Jahreszeit: Auch der ausgehende Sommer wie bei unserer Blanchette ist nicht zwingend die beste Zeit zur Stecklingsvermehrung. Die Hälfte der Vegetationsperiode ist da schon vorbei. Alles Zeit, die zur Wurzelbildung hätte genutzt werden können.
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Wie auch immer, das Grünzeug ist da und wir recyceln den Verschnitt. Dafür zerlegen wir die Stängel zuerst in etwa 15-20 cm lange Häppchen. So passen sie hinterher gut in unsere Vermehrungskisten, stecken fest im Substrat und haben vor allem ausreichend Triebansätze, um neue Blätter und Wurzeln zu bilden.
Dann versetzen wir die Stecklinge in den Energiesparmodus. Dafür schneiden wir fast alles ab, was der Pflanze Energie kosten würde: In unserem Fall nur die Blätter, bei Bedarf aber auch Blüten oder Früchte.
Nur das alleroberste Blatt lassen wir stehen. So ein klein wenig Fotosynthese sei gestattet. Große alleroberste Blätter schneiden wir außerdem zu.
Was soll diese Rasur? Die jungen Blanchetten haben ein ganz akutes Problem. Es mangelt ihnen extrem an Wurzel. Um sie nicht zu überfordern, nehmen wir ihnen vieles ab, dessen Versorgung für diese Pflänzchen wahrscheinlich zu viel wäre. Das sind jetzt nämlich ganz sensible und bedürftige Lebewesen, denen wir es so lauschig wie möglich machen.
Im nächsten Schritt durch unsere Vermehrungskisten, über deren Einrichtung wir uns auch ausführlich auslassen.
In diesen Kisten schaffen wir ein warmes, helles und nährstoffarmes Klima mit sicherer Wasserversorgung. Warm und hell entsprechen dem Wunschwetter mitteleuropäischer Pflanzen.
Der Wasserkreislauf ist geschlossen, es wird also weder zu nass, noch zu trocken. Die wurzelarmen Pflanzen können sich auf ein konstantes Wasserangebot verlassen. Nährstoffarm soll der Boden sein, denn das veranlasst Pflanzen zu stärkerem Wurzelwachstum.
Unser Standardrezept für den Privatgebrauch:
Durchsichtige, etwa 20 Liter fassende Plastikkiste mit Deckel, etwa 10 Liter Perlite und 1 bis 1,5 Liter Wasser – Fertig!
Dort hinein kommen jetzt unsere Pflanzenabschnitte. Anders ausgedrückt: Wir stecken die Stecklinge. Mit ungefähr 5 cm Abstand zueinander.
Vor allem achten wir darauf, dass die Blätter weder die Wände, noch sich gegenseitig berühren. Das dient dem Schimmelschutz, denn so sammeln sie Pflanzen weniger Kondenswasser im Treibhaus.
Sind alle Stecklinge versteckt, nehmen wir ein Plastikschildchen und einen Bleistift. Auf das Schildchen schreiben wir Blanchette und stecken es zu den Stecklingen. Dann kommt der Deckel drauf und wir stellen die Kiste auf einen Schattenparkplatz. In der prallen Sonne würden die Kisten sehr heiß werden – das wäre unnötiger Stress für die jungen Blanchetten.
Es folgt, was bei der Stecklingsvermehrung die meiste Zeit zu tun ist: Warten. Zwischendrin sollten die Kisten immer mal wieder gelüftet werden, um Schimmelei und Pilzen vorzubeugen. Abgestorbene, vertrocknete oder faulende Pflanzenteile sortieren wir aus, wenn wir sie sehen.
Wir rechnen bei Johannis- und Stachelbeeren mit etwa 2 bis 3 Monaten Wartezeit, bis sie ausreichend bewurzelt sind. Dank der durchsichtigen Kisten können wir von unten schauen, wie weit die Wurzelbildung vorangeschritten ist.
Den genauen Zeitpunkt, die Jungpflanzen aus den Kisten zu holen, entscheiden wir situativ. Wenn der Wetterbericht Dürre und 35°C ankündigt, pflanzen wir ebenso wenig aus wie bei Frost. Stecklingsvermehrung macht ja nicht blöd.
Unsere Blanchetten haben wir an einem angenehmen Herbsttag im November herausgeholt. Eine typische situative Einzelfallentscheidung: Wurzeln waren zwar keine zu sehen. Aber wir haben offenkundig schlampig gelüftet, einige Pflänzchen begannen zu schimmeln. Also hieß es: Entweder wir holen sie jetzt noch heraus oder wir können sie wahrscheinlich wegschmeißen.
Alles kein Weltuntergang, also los geht’s. Zum Einpflanzen bewurzelter Stecklinge brauchen wir
Erde,
Dünger,
Töpfe
sowie
Löffel, Pflanzkelle, Eimer, Schildchen, Stift und vielleicht eine Schere, um hier und da überschüssige Pflanzenteile abzuschneiden.
Als Pflanzerde pimpen wir abgehalfterte Gartenerde minderer Qualität. Die mischen wir mit den Perliten aus unseren Vermehrungskisten. Die machen Erden formstabiler, fluffiger und speichern gut Wasser. Die dürfen grundsätzlich in die freie Wildbahn entlassen werden. Besonders nährstoffreich muss diese Erde beim Auspflanzen der Stecklinge nicht sein.
Die Stecklinge operieren wir mit einem Esslöffel und Feingefühl vorsichtig aus den Perliten. Vor allem die jungen, zarten Wurzeln wollen wir nicht verletzen. Wieder entscheiden wir im Einzelfall, welche Stecklinge wir weiter verwenden. Augenscheinlich tote Strünke ohne Wurzeln sortieren wir aus und fügen sie in die natürlichen Kreisläufe unseres Obstgärtchens ein.
Genug der Vorbereitung, jetzt geht’s ans Einpflanzen.
Je nach Topfgröße schaufeln wir 2 bis 3 Pflanzkellen Erde hinein.
Dann kommt der bewurzelte Steckling. Wir setzen unsere Hände weiterhin sanft und liebevoll ein.
Auf die offen liegenden Wurzeln kommt ein Löffelchen Beerendünger. Wir verwenden eine Mischung, die die Wurzeln mit Pilzen infizieren soll, die wiederum mit den Wurzeln eine symbiotische Beziehung eingehen sollen, was wir wiederum natürlich nicht an der einzelnen Pflanze nachprüfen wollen, sondern es einfach mal glauben. Beschwert haben sich unsere Pflanzen über diese Impfung bisher nicht.
In diesem Zusammenhang würden wir gern Selbstanzeige stellen: Eigentlich brauchen unsere Jungpflanzen zum Start nur wenige Nährstoffe, um durch diese Armut die Pflanzen zur Wurzelbildung anzuregen. Die Wurzeln mit einer reinen Pilzmischung zu impfen, wäre eigentlich das richtigere Verfahren. Allerdings kostet so Zeug genauso viel wie der Dünger. Der pilzgepimpte Beerendünger ist also ein Kompromiss aus Kostengründen und Bequemlichkeit.
Darauf kommt die nächste Schicht Erde. Beim Einfüllen richten wir den Steckling liebevoll mit den Fingern aus, damit er steht wie eine Eins und sich dem Lichte entgegenreckt.
Zusätzlich füttern wir ihn mit einem Löffel grober Hornspäne. Die zersetzen sich recht langsam und stellen ihren Stickstoff den Pflanzen über einen längeren Zeitraum zur Verfügung.
Stickstoff wiederum benötigen die Pflanzen vor allem fürs grüne beziehungsweise vegetative Wachstum. Die Hornspäne sind sozusagen das passende Düngerdepot für Jungpflanzen.
Die sollen in ihrer ersten richtigen Vegetationsperiode nämlich vor allem wachsen und nicht blühen oder gar Früchte bilden. Wer angeben will, sollte Blüte und Fruchtbildung übrigens generatives Wachstum nennen.
Jenseits der begrifflichen Rumdödelei begegnet uns Gärtnern das Verhältnis von vegetativ und generativ immer und immer wieder: Beim Einpflanzen, beim Schneiden, beim Vermehren, bei der Ernte, beim Düngen. Insofern ist es schon hilfreich, einen Zusammenhang zwischen Mutterpflanze und Hornspänen herstellen zu können.
Zum Schluss kommt noch eine Schicht Erde oben drauf – Fertig! – Abfahrt – Der nächste, bitte! So verfahren wir, bis alle auserwählten Stecklinge eingepflanzt sind. Bei uns wandern sie übrigens nur deshalb in Töpfe, weil sie fürs baldige Verschenken vorgesehen sind.
Könnten die Stecklinge wählen, würden sie richtigen Boden wahrscheinlich bevorzugen. Wenn du also für deinen Garten eine bestimmte Pflanze vermehrst, kannst du sie selbstverständlich am vorgesehenen Ort einpflanzen. Stecklingsvermehrung macht schließlich nicht blöd.
Unsere eingetopften Stecklinge kommen zur Winterruhe an einen lauschigen Ort zu ihren älteren Geschwistern. Dort warten sie darauf, in die Obhut freundlicher Mit- und Gutmenschen übergeben zu werden. Denn auch in Zukunft wollen wir Obststräucher verschenken unter der Maßgabe, sie so zu pflanzen, dass auch andere Menschen daran ernten können und sie auf unserer Leipziger Obsternte-Karte eingetragen werden.
Bei Interesse melde dich bei uns unter team@erleb-bar.de. Ansonsten wünschen wir dir gutes Gelingen, viel Spaß und Zärtlichkeit beim Vermehren. Über deine Erfahrungen, besseren Ideen und Anregungen würden wir uns freuen.
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